Die Stadtbefestigung der gallorömischen Metropole Augusta Treverorum/Trier. Studien zu ihrer Gestalt, Entwicklung und Datierung unter besonderer Berücksichtigung bauökonomischer Aspekte

→ Michael Drechsler 

Die Bedeutung Triers

In der topographisch günstig gelegenen Moselregion entstanden bereits lange vor Ankunft der Römer überregional bedeutende oppida. In augusteischer Zeit (Morscheiser 2012) gründete der mächtige keltisch-germanische Stamm der Treveri (Tac. Germ. 7) Augusta Treverorum/Trier als ihren neuen Zentralort am Ufer der Mosel.

Innerhalb weniger Dekaden erlangte die Siedlung colonia-Status und die Stammesführung Zutritt in den römischen Senat (Tac. Ann. XI,24). Grundlage des raschen Aufschwungs waren die dichten Besiedlung, der günstige Naturraum und die Verfügbarkeit überregional handelsfähiger Ressourcen und Produkte wie Mühlsteinbasalt (Grünewald 2012), Keramik (Huld-Zetsche 1993), Wolle und Tuche (vgl. Igeler Säule) oder Wein. Selbst ernste Konflikte mit Rom wie der Bataveraufstand 69/70 n. Chr. (Tac. hist. IV,72; V,19,4.) hatten kaum archäologisch feststellbare Effekte auf die progressive Siedlungsdynamik. Besonders günstig für die Leitfragen der Dissertation ist das römische Trier wegen seiner unmittelbaren räumlichen Vergesellschaftung von Befestigung und Gewerbe, etwa im Südwesten der Stadt.

Während der folgenden Jahrhunderte wurde die Stadt als Sitz der Finanzverwaltung der drei Provinzen Gallia BelgicaGermania inferior und superior enorm ausgebaut (Kuhnen 2001, 12-57): Mit annähernd 300 ha umwehrter Fläche war Trier weit mehr als doppelt so groß wie die benachbarte Hauptstadt der Provinz Niedergermanien, die Colonia Claudia Ara Agrippinensium/Köln (100 ha). Trier war damit eine der bedeutenden Metropolen Galliens, die die gallorömische Kultur maßgeblich geprägt hat (Pomp. Mela, III,20). In der zweiten Hälfte des 3. Jh.  wurde die Stadt Hauptstadt des gallischen Sonderreiches. Eine vor kurzem untersuchte mächtige Schuttschichte im Bereich der Nordumwehrung Triers stammt wahrscheinlich von einer Prägestätte aus dieser Zeit (Hupe 2010; Morscheiser 2012). Damit ist auch ein deutlich komplexeres Raumkonzept im Bereich der Befestigung erkennbar als bisher vermutet.

In der Spätantike schließlich war Trier Sitz des praefectus praetorio galliarum und damit nach Rom die wichtigste Stadt im Westen des römischen Reiches und noch weit bis ins Mittelalter eine der wichtigsten Städte nördlich der Alpen.

Stand der Forschung

Die Grundzüge des römischen Trier sind hinlänglich erforscht, wenn gleich eine moderne umfassende Vorlage aller größeren Befundkomplexe fehlt. Ebenso verhält es sich mit der römischen Stadtbefestigung: Oft wurden einzelne Fragestellungen (z. B. Datierung) mit Hilfe einer willkürlich wirkenden Befundauswahl behandelt. In den bisherigen Untersuchungen wurden die Stadtmauer und besonders das ausnehmend gut erhaltene Nordtor (Porta Nigra) überproportional stark gewichtet. Demgegenüber sind Verlauf und Gestalt der Stadtbefestigung etwa am Moselufer bis heute nicht vollständig geklärt.

Daher unterscheiden sich die Forschungsansichten bis heute bei zentralen Fragen teils erheblich: Die Chronologie der Befestigung wurde im 19. Jh. wegen des „unfertigen Zustandes“ der porta nigra noch an das „Ende der Römerherrschaft“ datiert. Hans Lehner setzte sie an den Anfang der 2. Hälfte des 3. Jhs. (1896, 265), Harald Koethe in die erste Hälfte des 4. Jhs. (1936, 74). Erich Gose ordnete sie dem Ende des 2. Jhs. zu (1969, 70), Heinz Cüppers glaubte dies auf die Jahre 160-180 präzisieren zu können (1973, 222). Jüngst plädierte Jennifer Morscheiser wieder für eine spätere Datierung in das 3. Jh. und eine komplexe Baugeschichte (2012, 245). Gleiches gilt für den mutmaßlichen Anlass des Mauerbaus: Dieser sei die Ahnung einer militärischen Bedrohung (Lehner 1896, 265) oder eine Reaktion auf diese (Cüppers 1973, 222; Morscheiser 2012, 245), Ausdruck wirtschaftlicher Prosperität (Gose 1969, 59) oder die Beschäftigung von Truppen während der Friedenszeit gewesen (Koethe 1937, 74).

Bauökonomische Fragestellungen wurden bisher allenfalls am Rande behandelt (Steinhausen 1969). Die wirtschaftliche Wechselwirkung zwischen Befestigung und Stadt wurde bisher trotz zahlreicher guter Ansatzpunkte nicht thematisiert.

Nur durch eine kritische einheitliche Neuaufnahme der archäologischen Quellen lassen sich die interpretativen Widersprüche lösen.

Ziele

Erstes Ziel ist (1.) die detaillierte Gesamtvorlage der Befunde (und Funde) der Stadtbefestigung. Wo möglich werden naturwissenschaftliche Analysen des Baumaterials durchgeführt. Durch die vollständige, einheitliche und systematische Analyse werden interpretativen Widersprüche und offene Fragen der älteren Forschung gelöst.

Im Abschnitt Bauökonomie wird die qualitative und quantitative Auswertung der Befestigung geleistet. Am Ende soll (2.) eine vollständige Rekonstruktion entstehen, an Hand derer Angaben beispielsweise zu den ursprünglichen Bauvolumina verschiedener Baumaterialien, des Bauaufwands und der Kosten erlangt werden. Zwecks erhöhter Transparenz sollen dabei immer drei Zahlenwerte angegeben: Die des maximalen, des minimalen und des (mutmaßlich) wahrscheinlichsten Wertes. Gleichzeitig (3.) soll die bauökonomische Auswertung so aufgebaut sein, dass auch alle anderen Arten von (Groß-)bauten nach denselben methodischen Grundlagen bearbeitet werden können und so eine optimale Vergleichbarkeit erreicht wird. Weiter soll (4.) die Organisation und die Akteuren des Baus untersucht werden (vgl. DeLaine 1997, Heising 2008).

Der Abschnitt Siedlungsdynamik soll (5.) die Beeinflussung der Stadt durch die Befestigung untersuchen. Diese verändert unzweifelhaft das bestehende Gefüge, etwa durch die (mutmaßlich) große Menge kurzfristig vor Ort tätiger Arbeiter oder die Schaffung von dauerhaften Standortvor- und Nachteilen für alle Kleinräume in der Nähe der Befestigung. Als Ansatzpunkte bieten sich (a) das durch die Stadtmauer getrennte überregional exportierende Töpferareal im Süden der Stadt an (b) der (nach gegenwärtigem Kenntnisstand) enorme unbebaute Raum innerhalb der Stadt (c) der Bereich nahe des Nordtores mit seiner separierten Bebauung parallel zur Straße oder (d) die Gräberfelder im Norden und Süden an. Im Idealfall könnte hier eine Ursache für die Entwicklung zum spätantiken komprimierten Siedlungstyp im Westen nachweisbar sein.

Geplante Grobgliederung

  1. Einführung
  2. Vorlage der Befunde
  3. Archäologische Auswertung (Verlauf, Elemente, Abschnitte, Phasen, Datierung)
  4. Bauökonomische Auswertung (Material, Bauprozess, Akteure, Aufwand)
  5. Siedlungsdynamische Auswertung (ökonomisches Gefüge vor/während/nach dem Bau)
  6. Vergleichende und historische Einordnung

Die Arbeit wird von Prof. Thomas Fischer (Universität zu Köln) betreut. Sie ist finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Alle Arbeiten werden in enger Kooperation und mit dankbarer Unterstützung des Rheinischen Landesmuseums Trier (GdkE) durchgeführt.

Abb. 1
Trier. Schematischer Stadtplan mit rekonstruiertem Verlauf der römischen Stadtumwehrung (rot) und dem großen Gewerbegebiet im Süden am Moselufer (grün). Grundlage aus: H. Koethe, Die Stadtmauer des römischen Trier, TrZ 11, 47, Abb. 1.

Abb. 2
Trier, Schematischer Stadtplan, Detail. Lage des Töpferreibereichs unmittelbar an der Stadtmauer. Abb. aus: H. Lehner, Die römische Stadtbefestigung von Trier. Westdt. Zeitschr. 15, 1896, 211-266, Taf. 6/7, Fig. 12.

Abb. 3
Trier, Pacelli-Ufer. Schematischer Plan mit einem Ausschnitt der römischen Töpfereiwerkstätten im Süden. Grundlage aus: I. Huld-Zetsche, Trierer Reliefsigillata. Werkstatt II. Materialien zur römisch-germanischen Keramik 12 (Bonn 1993), Beilage 1